Durch Selbständigkeit desillusioniert? Wirklich nicht, denn ich lerne fliegen!

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Vor einigen Tagen erhielt ich eine Mail von Gitte Härter. Sie ist eine, von mir sehr geschätzte Bloggerin. In ihrer Mail lud sie zur Teilnahme an einer „Blogparade“ ein. Auf den ersten Blick fühlte ich mich gar nicht angesprochen, zumal es um „Desillusionierung“ in der Selbständigkeit gehen sollte. Der Weg in meine eigene Selbständigkeit und „Desillusionierung“ – das wollte so gar nicht zusammen passen. Denn ich betrachte meine jetzige Selbständigkeit als Erfolgsgeschichte – als das Beste – was mir im Berufsleben passieren konnte.

Schließlich hatte ich mich, trotz vieler Warnungen und obwohl ich wusste, dass es Coaches schon wie Sand am Meer gab, nach 18 jähriger Arbeit in einem internationalen Konzern, als Berufscoach selbständig gemacht. Ganz einfach deshalb, weil ich das Gefühl hatte, dass diese Arbeit gut zu mir passen würde. Nun, nach drei Jahren kann ich sagen: mein Gefühl hat mich auf die richtige Spur geführt. Denn ich habe durch diesen Schritt die Aufgabe gefunden, die mich erfüllt, die mich inspiriert und motiviert.

Beim Nachdenken über meine bisherigen Erfahrungen mit der Selbständigkeit, fielen mir deshalb zunächst einmal auch nur positive, unterstützende Faktoren ein:

  • solides Fachwissen und einschlägige Erfahrung,
  • meine Familie und Freunde, die hinter mir standen und mir Unterstützung boten,
  • einen zusätzlichen Verdiener in der Familie – dadurch konnte ich Durststrecken überwinden,
  • Platz für einen angenehmen Arbeitsplatz in der Wohnung – also keine zusätzlichen Mietkosten,
  • eine Freundin, die mir stundenweise für einen guten Preis einen tollen Raum für mein Coaching vermietete.

All dies ist sicher nicht der Stoff, der dazu taugt, über Desillusionierung in der Selbständigkeit zu berichten.
Und doch tauchten plötzlich Erinnerungen an meine bisherigen Marketing-Aktivitäten auf, aus denen sich ein ganzes Bündel an desillusionierenden Erfahrungen schnüren lässt. Über die will ich jetzt gerne berichten. Auch deshalb, weil ich froh bin, dass ich hier immer mehr störenden Ballast abwerfen kann.

Hatte ich mich in Sachen Marketing zunächst eng an dem orientiert, was Marketing- Experten und die einschlägige Literatur empfahlen, so komme ich jetzt immer mehr auf den Boden der Tatsachen. Denn ich habe in den drei Jahren meiner Selbständigkeit etliches ausprobiert und weiß jetzt immer besser, was für mich nur im begrenzten Rahmen nützlich ist, was ich alles nicht brauche und vor allem, was gut für mich ist:

Desillusionen und Erkenntnisse:

1. Was für mich nur bedingt nützlich ist:

  • XING und Facebook: Deren Nutzen ist für mich eingeschränkt. So wurde ich bei XING zu Beginn eifrig Mitglied in diversen Gruppen. Ich musste aber nach kurzer Zeit feststellen, dass in diesen Gruppen, neben zahlreichen Begrüßungsbeiträgen von „Neuankömmlingen“, keine nennenswert spannenden Diskussionen geführt werden. Zudem tummeln sich bei XING ganze Scharen von Freiberuflern und Selbständigen, die alle das gleiche im Sinn haben, Kunden zu akquirieren. Auch Facebook ist bis jetzt nicht mein Forum geworden. Hier geht es hauptsächlich darum, ganz entspannt alles Mögliche zu posten. Der Ablenkungsfaktor ist entsprechend hoch. Deshalb tauche ich hier nur noch gelegentlich auf, immer dann, wenn ich einen neuen Blog-Eintrag bekanntgeben möchte.
  • Messebesuche: Zu Anfang war ich der Meinung, dass die Präsenz auf Fachmessen zum festen Bestandteil meines Marketings gehören sollte. Schon in der Vergangenheit hatte ich mich aber auf Messen nie richtig wohlgefühlt, zu viele Menschen, zu viel Anonymität, zu voll. Das hat sich auch jetzt nicht geändert. Da der „Wohlfühlfaktor“ aber wichtig ist, um selbstbewusst zu strahlen, habe ich entschieden, dass Messen nicht mein Medium sind. Ich gehe nur noch hin, wenn mich ein Vortrag oder eine Podiumsdiskussion interessiert.
  • Verbandsmitgliedschaften: Auch dies sind Foren, von denen ich zu Anfang annahm, dass sie mich bei meinem Tun unterstützen würden. Was ich vorfand: eine eingeschworene Gemeinde mit starren Vereinssatzungen, vorgegebenen Beitrittskonditionen und teils unerschwinglich hohen Mitgliedsgebühren. Das hat mich abgeschreckt. Denn relativ fest gefügte Organisationsstrukturen sind das letzte, was ich mir zurzeit vorstelle. Ich brauche jetzt viel Freiraum, um eigenständige Ideen zu entwickeln. Das ist schließlich die wichtigste Grundlage für meine Selbständigkeit. Verbandsarbeit erlebe ich deshalb im Augenblick nicht als förderlich. Wenn sie mich thematisch ansprechen, besuche ich allerdings dort gelegentlich offene Veranstaltungen.

2. Was ich nicht brauche:

  • einen vorbereiteten „Elevator-Pitch“, dessen Wichtigkeit in jedem Marketing-Ratgeber betont wird: Auch hier bemühte ich mich zunächst um die Ausarbeitung dieses unerlässlichen Tools. Die praktische Nutzung war niederschmetternd. Denn ich verkrampfte regelmäßig im entscheidenden Moment, weil ich mich anstrengte, dass zu reproduzieren, was ich mir aufgeschrieben hatte. Frustration war das dominierende Gefühl. Konnte ich denn gar nicht rüberbringen, was ich zu bieten habe? Durch diese negativen Erfahrungen verloren meine Aufzeichnungen an Bedeutung. Allerdings schaffe ich es inzwischen völlig mühelos über den Spaß zu reden, den mir meine Arbeit macht. Dabei liefere ich offensichtlich meinen Gesprächspartnern immer wieder nützliche Impulse, mit dem Ergebnis, dass ich weiterempfohlen werde und dass Kunden kommen. Fazit: meine „Zielgruppe“ ist überall. Und das Beste ist: ich brauche nur ich selbst zu sein.
  • Hochglanz- Flyer und sonstige extern designte Druck-Erzeugnisse: Zugegeben, Design-Profis haben es schon drauf, tolle Werbematerialien zu erstellen. Für meine Zwecke sind sie aber in der Regel zu glatt und zu unpersönlich. In meinen Werbeartikeln will ich für meine Kunden sichtbar werden. Deshalb mache ich viel selbst. Ich nehme Fotos oder eigene Bilder, die mir etwas bedeuten und scheibe meine Texte selbst. Das Bloggen hat sich deshalb als mein ideales Medium erwiesen.

3. Was gut für mich ist:

  • mir die Zeit zu lassen, die ich brauche, um mein Ding zu machen,
  • meiner Abneigung gegen den Mainstream nachzuspüren und das, was mir wirklich wichtig ist auf den Punkt zu bringen,
  • freundliche, inspirierende Leute anzusprechen, zu treffen und mich unverkrampft mit ihnen auszutauschen,
  • auf teure Weiterbildungen verzichten, anstatt dessen Besuch von kleinen, individuellen Lern- und Erfahrungsgruppen,
  • Bloggen, weil es mir Spaß macht über Themen zu schreiben, die mich „anspringen“,
  • persönliche Mails und Karten zu schreiben, die den Adressaten Freude bereiten, weil die Produktion mir selber Spaß gemacht hat.
  • Wichtig für mich ist auch: immer mehr weg zu kommen von der „ich weiß, was ich nicht will- Lethargie“ – hin zur „ich probiere mal was aus – mal sehen, was daraus wird – Strategie“.

Auch wenn es gelegentlich mit Frustrationen verbunden war, meine beschriebene Desillusionierung war unterm Strich ein durch und durch positiver Prozess, der mir die Augen für die erfolgversprechenden Aktivitäten geöffnet hat. Ich gewinne zunehmend an Sicherheit, zu wissen, was gut für mich und damit für „Erfolg für Talente“ ist. Und das schönste ist: ich verliere zunehmend meine „Angst vorm Fliegen“.

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2 Kommentare zu “Durch Selbständigkeit desillusioniert? Wirklich nicht, denn ich lerne fliegen!”

  1. Klasse geschrieben – und so wahr…
    Auch mein Geschäftsmodell hat sich schon innerhalb der ersten 7 Monaten gewandelt, bzw. erweitert, um dahin zu kommen, was auch nachgefragt wird.
    Auch wenn es momentan noch nicht so rund läuft wie man es es sich wünschen würde – aber der Weg nimmt immer bessere Formen an.
    Weniger Arbeiten als während meines Angestelltendaseins?
    Nein – definitiv nicht. Sicherheit? Niente. Aber das Gefühl der Eigenverantwortung und freien Entfaltung ist es trotzdem wert…
    Dank für den lesenswerten Artikel! mfg R. Eichler

  2. So ist es und nicht anders. Jeder sollte sich selbst treu bleiben und das machen, wo er ein gutes Gefühl hat.
    Was mir gefällt ist, das du vieles selbst ausprobiert hast und dein Weg gefunden wurde.
    Viele Scheiben oft was theoretisch gut wäre, aber die Praxis wird es zeigen.
    Toller Bericht. Weiter So!!!!

    Wo hat sich für dich dein Hauptvertriebskanal entwickelt ?

    Gruss
    Rüdiger Schmiedt l

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