Respekt am Arbeitsplatz – Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander

“R-E-S-P-E-C-T – Find out what it means to me” fordert Aretha Franklin in ihrem Song vom Ehemann ein. Es wäre interessant zu erfahren, wie die Geschichte ausgegangen ist. Hat der gute Mann das Signal vernommen und sich eines Besseren besonnen? Das Ergebnis bleibt offen. Eins ist aber sicher: Aretha Franklin hat noch einen wesentlichen Trumpf in der Hand: Indem sie fordernd auftritt, ist klar, dass sie den Respekt gegenüber sich selbst behalten hat.

Hierin unterscheidet sie sich von vielen arbeitenden Menschen, denen der Respekt gegenüber sich selbst im Laufe ihres Berufslebens abhanden gekommen ist. Sie sind möglicherweise bei ihren beruflichen Entscheidungen zu viele faule Kompromisse eingegangen oder haben zu viele Zumutungen ertragen. Das hat sie im Laufe der Zeit weit von sich selbst und den eigenen Bedürfnissen entfernt. Sie arbeiten in Berufen, die ihnen wenig Sinn bieten. Sie sind Getriebene. „Ich muss“ ist ihr Wahlspruch. Deshalb sind sie ständig bemüht, die Anforderungen anderer zu erfüllen. Und dennoch oder gerade deshalb läuft ihnen die Zeit immer mehr aus dem Ruder. Sie erfahren zu wenig Anerkennung für ihre Leistungen. Sie haben unwürdige Arbeitsverträge unterschrieben, die eine Entlohnung bieten, mit der der Lebensunterhalt nicht bestritten werden kann. Die Frage, was will ich eigentlich, kann oftmals gar nicht mehr beantwortet werden und wird in der Regel auch gar nicht mehr gestellt. Es fehlt an der hierfür erforderlichen Eigenwahrnehmung, die oft in einem langwierigen Selbsterkundungsprozess mühsam zurückerobert werden muss. Dazu kommt es häufig erst, wenn Körper und Geist rebellieren. Burn-out und Depression sind Etiketten dieser Rebellion.

Mangelnde Selbstachtung ist aber nur die individuelle Dimension von Respektlosigkeit am Arbeitsplatz. Fehlt sie, hat das ebenfalls fatale Folgen bei der Übernahme einer Führungsaufgabe. Denn was ich mir selbst nicht zugestehe, dass verweigere ich auch den Anderen. Mangelnder Selbstrespekt wirkt so unmittelbar auf die Ausgestaltung der Führungsrolle. In seinem Aufsatz „Wer führt, ohne dass ihm die Menschen folgen, geht nur  spazieren“ beschreibt Reinhard K. Sprenger die Wirkung von Respekt oder Respektlosigkeit als Tauschprozess: „ Jedes Gespräch, Liebe, Spiel, Zärtlichkeit, jedes Sichanblicken, jede Minute Lebenszeit ist eine Ware, die jemand zum Tausch anbietet. Aber auch Wegschauen, Keine-Zeit-Haben, Lieblosigkeit – auch diese Verhaltensweisen werden auf den Beziehungsmärkten getauscht. Jeder Mensch führt also mit jedem anderen Menschen, der ihm nahe steht, ein Beziehungskonto. Auch jede Führungskraft mit ihrem Mitarbeiter und umgekehrt.“ (Reinhard K. Sprenger in: Servant Leadership – Prinzipien dienender Unternehmensführung, Berlin 2007, S.73) Genauere Hinweise, was „respektvolle Führung“ ausmacht liefern die Wissenschaftler Niels von Quaquebeke und Tilmann Eckloff. Sie zeigen es an zwölf Mitarbeiteraussagen auf (Mitschrift aus BR2 Sendung „Respekt – Voraussetzung für ein tragfähiges Miteinander vom 13.02.2013).

Meine Führungskraft

  • äußert  Kritik sachlich und konstruktiv
  •  behandelt mich höflich
  • geht offen und ehrlich mit mir um
  •  behandelt mich fair
  • vertraut mir, dass ich eigenständig und selbstverantwortlich gute Leistungen erbringe
  • erkennt meine Leistungen an
  • nimmt mich und meine Arbeit ernst
  • versorgt mich mit allen relevanten Informationen
  • erkennt mich als vollwertiges Gegenüber an
  • zeigt ehrliches Interesse an meiner Meinung und meinen Einschätzungen
  • steht gegenüber Dritten klar hinter mir und meiner Arbeit
  • versucht nicht, mich für ihre Fehler verantwortlich zu machen.

Führungskräfte sind gut beraten, auf diese Mitarbeiterwünsche einzugehen. Dies wird durch eine Studie der beiden Wissenschaftler allzu deutlich. Sie hat ermittelt, dass den Deutschen respektvoller Umgang am Arbeitsplatz wichtiger ist als ein höheres Gehalt oder mehr Freizeit.

Respektvolle Führung kann letztendlich aber nur gelingen, wenn auch das strategische Handeln eines Unternehmens von einer Unternehmenskultur geprägt ist, die respektvolle Führung zulässt. Hier klaffen leider Wunsch und Wirklichkeit zunehmend auseinander. Als ein Beispiel von strategischer Respektlosigkeit kann wohl das fortschreitende Lohndumping am Arbeitsmarkt gelten. Selbst die Personalstrategen unserer edelsten Konzerne machen mit beim perfiden Spiel und sind eifrig auf der Pirsch nach den juristischen Schlupflöchern, um die Lohnspirale immer weiter nach unten zu drehen.
Auch die ARD-Sendung „hart aber fair“ machte dies am 13.05.2013 unter dem Titel „Hungerlohn bei Luxusmarken: Die neue B-Klasse der Arbeit“ transparent.

Wenn also auch in Sachen Respekt am Arbeitsplatz mal wieder alles eine Frage des Zusammenspiels der Kräfte ist, bleibt zu klären, wie der Ausstieg aus diesem unheilvollen Szenario gelingen kann.

Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee, Aretha Franklins Song-Text ganz persönlich zu nehmen:
“R-E-S-P-E-C-T – Find out what it means to me”!

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