Darf ich vorstellen: Shackleton – eine Persönlichkeit mit außergewöhnlichen Führungsqualitäten

All safe all well, Urheber: Frank Hurley (1885–1962), published in the United States in Ernest Shackleton’s book, South, in 1919.

Im neuen Jahr will ich mit einem mutmachenden Beitrag starten. Es handelt sich um die Geschichte der „Endurance Expedition“ unter der Leitung von Ernest Shackleton. Aus meiner Sicht, ist es ein Lehrstück über ungeheuren Mut und außergewöhnliche Führungsqualitäten.

Shackletons Antarktis-Expedition, die im Sommer 1914 mit 28 waghalsigen Männern  auf der „Endurance“ startete, steuerte zunächst auf eine Katastrophe zu. Nachdem Amundsen 1911 „das Rennen um den Pol“ gewonnen hatte, wollte Shackleton als erster die Antarktis-Durchquerung wagen. Doch dazu kam es nicht, denn das Schiff blieb aufgrund eines vorzeitigen Wintereinbruchs im Packeis stecken und wurde vom Eis zerdrückt. Den Männern blieb nichts anderes übrig, als den Winter in Zelten auf dem Eis zu verbringen. Nachdem das Eis im Frühjahr zu einer kleinen Scholle geschmolzen war, gelang ihnen, unter äußerster Anstrengung, mit den drei verbliebenen Beibooten, die Rettung auf das unbewohnte Elephant-Island. Da auch hier die Männer auf absehbare Zeit dem Tod ausgeliefert waren, entschied sich Shackleton dazu, mit fünf ausgewählten Männern, auf einem notdürftig seetauglich gemachten Beiboot, zu einer fast 1300 Kilometer weiten Fahrt nach Südgeorgien. Die Fahrt glich einem Höllenritt. Doch damit nicht genug: als sie nach zweiwöchiger Fahrt tatsächlich Südgeorgien erreichten, schafften sie es, bislang unbekannte Berge und Gletscher zu überwinden, um in einer bewohnten Walfangstation die Rettung zu organisieren. Erst im dritten Anlauf gelang Shackleton dann im August 1916 die, an ein Wunder grenzende Rettung aller 28 Männer. Sie hatten 635 Tage, das heißt – zwei antarktische Winter – unter unvorstellbaren Bedingungen im Eis überlebt.

Soweit die Geschichte. Wer sich für die Details der Expedition interessiert, dem stehen diverse Veröffentlichungen, die bewegenden Expeditionsfotos von Frank Hurley und einige Dokumentarfilme zur Verfügung.

Was mich schon seit längerer Zeit beschäftigt, ist „die Führungs-Person Shackleton“ und das, was für Führungskräfte auch heute noch von Bedeutung ist. Dazu zählen die Antworten auf folgende Fragen: Wie gelang es ihm, die Expeditionsteilnehmer unter widrigsten Umständen bei Laune zu halten, seinen Entscheidungen zu vertrauen und selbst in Abwesenheit, während seiner Rettungsfahrt nach Südgeorgien, bei den zurückgebliebenen Männern, die Hoffnung auf Rettung zu erhalten?

Aus dem dokumentierten Material haben Margot Morrell und Stephanie Capparell unter dem Titel „Shackletons Führungskunst“ Antworten auf diese Fragen gefunden. Sie haben die Führungsqualitäten Shackletons herausgearbeitet und mit vielen Beispielen belegt. Ich fasse sie in den folgenden zehn Punkten zusammen (vgl. S.9ff):

  • Shackleton verfügte über vielfältige kulturelle Interessen, die ihm einen emotionalen und intellektuell fundierten Führungsstil ermöglichten.
  • Er hatte eine ausgefeilte Auswahlpraxis. Er wählte, optimistische Menschen mit sich ergänzenden Fähigkeiten aus. Er vergütete sie großzügig und stellte ihnen die beste verfügbare Ausrüstung zur Verfügung.
  • Er förderte den Teamgeist, führte Ordnung und Routinen ein, schaffte traditionelle Hierarchien ab und sorgte durch informelle gesellige Zusammenkünfte dafür, dass der Sinn für Humor nicht verloren ging.
  • Er ging mit stets mit gutem Beispiel voran, akzeptierte die Marotten und Schwächen der Leute und baute so eine Bindung zu jedem seiner Männer auf.
  • Ganz selbstverständlich beteiligte er sich bei der Erfüllung schwierigster Aufgaben und unterstützte jeden Einzelnen dabei, sein Potenzial auszuschöpfen. Er stützte die Schwächsten und brachte die Männer dazu, einander zu helfen.
  • In der Krise brachte er zum Ausdruck, dass er an den Erfolg glaubte. Die Zweifelnden und Unzufriedenen behielt er in seiner Nähe, verhinderte so, dass es zur Meuterei kommen konnte.
  • Er sorgte dafür, dass die Männer die Vergangenheit losließen und sich auf das, zum Überleben Notwendigste konzentrierten.
  • Shackleton holte Rat bei seinen Leuten ein und traf endgültige Entscheidungen allein. Er übernahm stets die Verantwortung für die vollständige Durchführung der anstehenden Aufgaben.
  • Er gab jedem das Gefühl, etwas Sinnvolles beizutragen.
  • Selbst in Abwesenheit und Jahre nach der Expedition beeindruckte er die Männer durch seine Leistungen und seine Persönlichkeit.

Sicher finden Führungskräfte von heute andere Bedingungen vor. Sie befinden sich nicht in der Abgeschiedenheit der Antarktis, sondern in der Regel im komplexen Gefüge international vernetzter Konzerne. Dennoch bin ich der Meinung, dass auch in diesen Kontexten, die oben aufgeführten Führungsqualitäten ihre Gültigkeit haben und positive Wirkung entfalten.

 

 

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