Warum sich wert(e)volle Frauen aus den Konzernen verabschieden und Unternehmen immer noch keine Verlustrechnung machen

© Andreas Bohnenstengel, http://www.abobild.de

Manches braucht Zeit! Der Artikel „Was Powerfrauen wirklich wollen“ ist nun schon vor drei Wochen auf faz.net erschienen. Obwohl mich die Inhalte dieses Beitrags „angesprungen“ haben und sofort feststand, dass ich dieses Thema aufgreifen wollte, hat es jetzt eine ganze Weile gedauert, bis ich endlich meinen Artikel schreibe. Warum?

Es ist wohl hauptsächlich Selbstbetroffenheit. Denn auch ich gehöre ja zu dieser Gruppe von ehemaligen Managerinnen, die zwischen 45 und 50 Jahren das Handtuch geworfen haben, um fortan ihr eigenes Ding zu machen. Zu diesem selbsterlebten Phänomen, will ich die richtigen Worte finden und klare Botschaften senden. Ich merke, dass mir das, fast vier Jahre nach meinem Ausstieg, immer noch nicht leicht über die Lippen geht.

Noch immer muss ich mich sortieren und stelle überrascht fest, dass ich in Gedanken an das Erlebte noch nicht ganz frei davon bin, meinen Ausstieg aus dem Unternehmen als persönliches Versagen zu betrachten. Und das, obwohl neben mir eine ganze Reihe von Frauen, in vergleichbaren Situationen steckten. Uns alle verbindet beste Qualifizierung, Visionskraft, Gestaltungswille und hohe Motivation, etwas voranzubringen. Trotzdem konnten wir im Unternehmen nicht erfolgreich sein. Wir passten nicht dazu, obwohl wir, die, auf Hochglanzpapier gedruckte Unternehmensphilosophie sofort und ohne jeden Zweifel unterschreiben konnten. Doch in der Wirklichkeit sah alles ganz anders aus. Unsere eigenen Werte stimmten mit der Unternehmensrealität nicht überein.

Es siegten:

  • Einzelkämpfer über Teamwork
  • Altbewährtes über Innovationen
  • Antwortgeber über Fragensteller
  • kurzfristige Lösungen gegenüber Nachhaltigkeit
  • zudecken von Missständen über eine gelebte „Fehlerkultur“
  • männliche über weibliche Potenzialträger.

Ein Narr, wer Böses dabei denkt? Ja!!!

Genauso habe ich mich lange Zeit gefühlt: mit völlig falschen Vorstellungen in einer Umgebung, die immer nur zweifelnd und mit zunehmender Skepsis auf mich reagierte. Bis auch ich dann immer stärker an mir zweifelte. Und zum Schluss das Gefühl hatte, raus zu müssen, bevor ich mich selbst verliere.

Der FAZ-Artikel war nach längerer Zeit Auslöser für eine erneute Bestandsaufnahme. Erfreut habe ich festgestellt, dass es endlich fundierte Studien gibt, die belegen, dass es keinen Grund gibt, meine Erfahrungen als persönliches Scheitern zu verbuchen. Zwei davon wurden sogar vom BMFSJ in Auftrag gegeben: die eine „Managerinnen 50plus“ von Christiane Funken, befasst sich mit den Karrierekorrekturen beruflich erfolgreicher Frauen in der Lebensmitte“, die andere von Carsten Wippermann trägt den Titel Frauen in Führungspositionen – Barrieren und Brücken“.

Diese Studien belegen eindrucksvoll, dass in vielen Unternehmen noch immer die alten Strukturen herrschen und Erfolg in erster Linie an Geld und Macht festgemacht wird. Da können vornehmlich weibliche Führungskräfte, die Erfolg eher an anderen Werten festmachen, nicht so leicht mit grünem Licht für den Weg nach oben rechnen. Sie selbst erleben durch ihre anders geartete Orientierung zu wenig positives Lebensgefühl und zu wenig inhaltliche Erfüllung in ihrer Arbeit. Das reduziert das Selbstwertgefühl. Frauen reagieren dann entweder mit Kampf, Resignation oder Ausstieg.

Ich habe den dritten Weg gewählt und mich als Berufscoach selbständig gemacht – ohne jegliche Reue! Jetzt erlebe ich meine Arbeit wieder als wertvoll und sinnstiftend. Die erzielten Ergebnisse beurteilen meine Kunden und ich selbst – sonst niemand. Ich fühle mich frei.

Noch haben die Unternehmen kaum Sensibilität dafür entwickelt, welche Potenziale sie durch den Ausstieg  vieler hochmotivierter Mitarbeiterinnen verlieren. Bleibt zu hoffen, dass sich bald eine andere Sichtweise breitmacht, die den Wertewandel ermöglicht. Das käme Frauen und Männern gleichermaßen zugute.

 


 

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