Wollen wir „nonterritoriale Arbeitsplätze“? Schöne neue Berufswelt IV

Wer es nicht schon längst selbst erfahren hat, der weiß es spätestens nach dem Besuch des  Dokumentarfilms Work Hard Play Hard, der aktuell in unseren Programmkinos zu sehen ist: die Schöne neue Welt ist in unseren Büros längst Realität.

Carmen Losmann ist es in ihrem Film-Debüt gelungen, uns die Irrungen und Wirrungen der heutigen Arbeitswelt plastisch vor Augen zu führen. Sie lässt eindrucksvolle Bilder sprechen und die Protagonisten selbst zu Wort kommen. Auch ohne Kommentar wird so schnell klar, worum es in der heutigen Arbeitswelt vor allem geht: um Optimierung, Verschlankung, Gewinnmaximierung.

Weil dies nur mit Personal möglich ist und hier noch einiges Potenzial vermutet wird, schenkt die Betriebswirtschaft dem Humankapital im ökonomischen Gefüge seit geraumer Zeit größte Aufmerksamkeit. Es werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich Umsatzrenditen erhöhen.

Carmen Losmann zeigt uns in ihrem Film ein Potpourri von Szenen, die uns auf eindrucksvolle Weise Einblick geben, welche Wege zu diesem Zweck beschritten werden.

Hier ein paar Beispiele:

Die Köpfe eines renommierten Architekturbüros nutzen die These, dass sich Kreativität am besten in informellen Kommunikationsprozessen entfaltet als Fundament für ihren Entwurf eines repräsentativen Firmensitzes in der Hamburger Hafencity. Entstanden ist ein offenes Gebäude, mit der Intention, überall Kommunikation zu ermöglichen und erst gar keinen Eindruck von Arbeit entstehen zu lassen. In logischer Konsequenz wird den Geschäftspartnern bei ihrem dortigen Besuch auch „viel Spaß“ gewünscht. Dass sich dieser Spaß im wohldurchdachten Ambiente nicht automatisch einstellt, wird beim Blick in die Gesichter der Mitarbeiter deutlich, die sich am Morgen durch die Eingangsschleusen begeben.

Szenenwechsel: hier erklärt uns der Manager eines der führenden internationalen Beratungsunternehmen die Vorzüge des Bürokonzeptes, dass nur noch „nonterritoriale Arbeitsplätze“ vorsieht. In der Praxis bedeutet das: Menschen, die hier arbeiten, buchen tagtäglich ihren Arbeitsplatz mithilfe einer internetgestützten „Hoteling-Software“. Privates, selbst der eigene Kaffeebecher sind in diesem Rahmen nicht gewünscht.

Ging es bei den ersten beiden Beispielen um effektive Raumkonzepte, so machen die Optimierer sich auch am Menschen selbst zu schaffen. Wie etwa bei einer Potenzialanalyse , bei der das Entwicklungspotenzial von Mitarbeitern auf dem Prüfstand steht. Oder in einem der beliebten Outdoortrainings, welche darauf abzielen, gewünschtes Verhalten deutlich zu machen und dauerhaft bei den Teilnehmern zu verankern.

Noch eines will ich jetzt verraten: zu sehen ist auch eine Managerin, die als Change-Agent „den kulturellen Wandel in die DNA jedes einzelnen Mitarbeiters verpflanzen…“ will.

Spätestens durch diese Aussage wurde mir deutlich, dass Menschen in dieser Arbeitswelt allenfalls nur noch Statistenrollen zugestanden werden, die sie allerdings jederzeit zielgerichtet zur Umsatzsteigerung ins Spiel bringen sollen.

Trotz all dem besteht Hoffnung. Denn im Film blitzen schon vereinzelt die menschlichen Fähikeiten zur Verweigerungshaltung und zur Erkenntnis auf. Und da man bei all dem wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat, will ich glauben, dass man sich in den Führungsetagen bald seiner Irrwege bewusst wird. Wenn das geschieht, kann sich am Ende des Tages auch in Mitarbeiterkonzepten doch noch die Vernunft ihren Weg bahnen.

Wer jetzt selbst der schönen neuen Arbeitswelt unverblümt ins Gesicht sehen will, der sollte unbedingt  das nächste Programmkino besuchen, in dem Work Hard Play Hard gezeigt wird.

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2 Kommentare zu “Wollen wir „nonterritoriale Arbeitsplätze“? Schöne neue Berufswelt IV”

  1. franz scheuber schreibt:

    dieser film scheint ganz interessant zu sein. gibt es auch infos dazu, ob der auch in den österreichischen kinos laufen wird?
    zu dem thema „non-territoriale Arbeitsplätze“ bin ich auch vor kurzem auf einen podcast gestoßen, der hier gut dazupasst.
    http://bene.com/bueromoebel/bene-office-podcast-25-non-territoriales-buero/

    hat halt wie so vieles auf dieser welt vor- und nachteile und sollte letzten endes jedem überlassen sein, wie und wo er seine arbeit verrichtet..

    lg

  2. Mechthild Bruns schreibt:

    Lieber Herr Scheuber,

    bei meinen Recherchen habe ich leider keine konkreten Hinweise bekommen, ob der Film derzeit auch in österreichischen Kinos zu sehen ist. Beantworten kann Ihnen die Frage vermutlich die Produktionsfirma Hupe Film.

    Ja, ich stimme Ihnen zu, dass es jedem überlassen sein soll, wie und wo er arbeitet. Dabei wünsche ich mir, dass Menschen sich zunehmend selbstbewusst für die Arbeitsbedingungen einsetzen, die Ihren Bedürfnissen entsprechen.

    Mechthild Bruns

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