Überflieger oder Normalos – welche Mitarbeiter sind die besten?

© Lida Salatian - Fotolia.com

Es ist schon bemerkenswert, welchen Einfluss wirtschaftliche Entwicklungen auf die vorherrschenden Meinungen im Management haben. Ähnlich wie Bank-Geschäfte sind auch sie hoch volatil.

Gerade noch haben die Unternehmen den „War for Talents“ ausgerufen, keine Mühen gescheut und Millionen in die Hand genommen, um die vermeintlich klügsten Köpfe ins Boot zu holen. Doch zeitgleich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, der den Unternehmen hierzulande beschert wird, muss ein anderes Mindset her, denn angeblich bietet der Markt kaum noch Nachwuchs mit Highperforming-Qualitäten.

Wen wundert es da, wenn die Schnellsten ihrer Zunft jetzt die Fortsetzung des „War for Talents“ für einen großen Fehler halten. So titelte Christian Rickens auf der Karriereseite von „Spiegel online“ am 01. August: „Schluss mit den Star Wars“. Er berichtet dort über einen Blog-Beitrag von William C. Tailor auf der Website der „Harvard Business Review“ mit dem Titel „Great People Are Overrated„.

Taylor, der Gründer von „Fast Company“, einer der erfolgreichsten US-Zeitschriftengründungen der letzten Jahrzehnte und früher eiserner Verfechter der Highpotential-Strategy, berichtet dort über seine Wandlung vom Saulus zum Paulus. „Taylors Argumentation: US-Unternehmen haben sich in einen Geniekult verrannt. Sie sind bereit, Millionen und Abermillionen von Dollar über einer kleinen Gruppe von Superstars auszuschütten, statt für ungleich weniger Geld ein ausgewogenes Team zusammenzustellen, das nicht funkelt vor individueller Brillanz, aber dafür mit kollektiven Fähigkeiten überzeugt“.*

Was hat Taylor zu dieser Wandlung veranlasst, die in den USA bereits eine große kontroverse Debatte ausgelöst hat? Zugrunde liegt die, durch Studien belegte Erfahrung, dass „…die Treffsicherheit vermeintlich besonders guter Aktienanalysten an der Wall Street schlagartig abnahm, sobald sie den Arbeitsplatz gewechselt hatten – weil ihre Fähigkeiten eben nur im richtigen Betriebsklima, umgeben von den richtigen Kollegen, wirklich gedeihen konnten.“*

Warum berichte ich über diese Diskussion?

Weil ich der Meinung bin, dass ein Perspektivenwechsel, bei dem zukünftig stärker auf den Normalo-Mitarbeiter als auf den Überflieger gesetzt wird, längst überfällig ist. Denn schon lange schreibt man sich in den HR-Abteilungen auf die Fahnen systemisch zu denken und zu handeln. Doch, indem man seine ganze Energie auf die Auswahl von „Höchstleistern“ fokussiert, hat man zumindest in Punkto Mitarbeiterauswahl und –Entwicklung immer noch eine völlig andere Brille auf. Und genau damit ist man in eine Falle getappt. Denn man hat dabei die Wirkfaktoren des Zusammenspiels aller Mitarbeiter aus dem Blick verloren. Das Ergebnis dieser Herangehensweise – Demotivation der Mehrheit der Mitarbeiter. (Hierüber hatte ich bereits in meinem letzten Beitrag berichtet.)

Aber in welche Richtung sollte man sich orientieren, um einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden? Hierzu einige Gedanken:

  • Gute Leute werden im Wesentlichen vom Team gemacht. Ob ein neuer Mitarbeiter reüssiert, hängt zu großen Teilen von den Rahmenbedingungen ab, die er vorfindet. (z.B.: vom Betriebsklima, von einer durch Vertrauen und Kommunikationsbereitschaft geprägten Führungskultur, von kooperationsbereiten Kollegen, von Aufgaben, die das passende Maß an Herausforderungen bieten, vom geeigneten Arbeitsort und Arbeitsplatz…). Berücksichtigt man diese Faktoren, braucht man sich bei der Mitarbeiterauswahl nicht darauf zu fokussieren, die Allerbesten ihrer Zunft zu finden.
  • Siegertypen neigen eher dazu einsame Entscheidungen zu treffen, denn es liegt in der Natur der Sache, dass Sie in Kooperation wenig geübt sind und ihre sozialen Kompetenzen deshalb oft weniger stark ausgeprägt haben. Die Folge: sie verlieren leicht den Kontakt zu ihren Mitarbeitern und können deshalb ihre Leute längerfristig nicht bei der Stange halten. Besser ist es deshalb, wenn gerade Führungskräfte ausgeprägte kommunikative und integrierende Fähigkeiten besitzen und in der Lage sind, sich fachlich zurücknehmen.
  • Die, in den Unternehmen oft übliche Einteilung in High-Potentials, Leistungsträger und Low-Performer schadet mehr als das sie nützt. Man bedenke, dass diese Klassifizierung im Wesentlichen erst vom System produziert wird. Besser ist es, die individuellen Stärken aller Mitarbeiter im Blick zu halten und sie ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen.

Alles in allem tun Unternehmen tun gut daran, die Heilsbringung nicht von der Exzellenz einzelner Mitarbeiter zu erwarten, sondern die Führung und Förderung des ganzen Teams im Blick zu halten. Denn ein exzellentes Team, das Spitzenleistungen erbringt, muss geformt werden und ist nur dann möglich, wenn dieses Team intelligent geführt wird. Das heißt, wenn die Führung in der Lage ist, Verantwortung zu übertragen, Gestaltungs- und Entscheidungsräume zu bieten, zu wissen, wer gebraucht wird und wer ins Team passt. Vor allem aber heißt es, für ein Klima zu sorgen, in dem es allen Mitarbeitern möglich ist, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

* zitiert aus: Spiegel online vom 01.08.2011

Tags: , , , ,


Sie können einen Kommentar hinterlassen, oder einen Trackback von Ihrer eigenen Seite setzen.

AddThis Social Bookmark Button

Hinterlasse einen Kommentar